Ganz im Gegenteil: Das Team von Redseven Entertainment hat das Format im Juni 2020 unter erschwerten Pandemie-Bedingungen produziert – und dabei Lösungen gefunden, die sich mühelos in die Dramaturgie der Sendung einfügen. Welche zunächst notgedrungenen Veränderungen sich als echter Gewinn für die Weiterentwicklung des Formats erwiesen haben und was davon auch in Zukunft bleiben könnte, erklären Heidi Brückl, Henning Kruse und Tobias Gramann.
HEIDI BRÜCKL
Als Produzentin bei Redseven führt Heidi das „The Taste"-Produktionsteam an: Sie fungiert als Schnittstelle zwischen Redaktion und Produktion und arbeitet seit Staffel 1 an der erfolgreichen SAT.1-Show. „The Taste" ist nicht das einzige Kochformat, das sie verantwortet: Auch „Rosins Restaurants" fällt in ihren Bereich.
„The Taste" war im Juni 2020 die erste große, mehrwöchige Studio-Produktion von Redseven nach dem Lockdown im Frühjahr. Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, an der Produktion festzuhalten?
Heidi Brückl: "Eine Absage kam für uns nie in Frage. Wir waren bereits vor Beginn des Lockdowns im Vorbereitungsprozess sehr weit: Der Cast war so gut wie final – und wenn der erstmal steht, dann ist die Sendung für uns gedanklich schon fast fertig produziert. Daher war uns klar, dass wir es durchziehen würden – allerdings nur unter drei Bedingungen: Neben der offiziellen Erlaubnis seitens der Gesundheitsbehörden mussten wir natürlich ein sicheres Arbeitsumfeld für unsere Kandidat:innen und Mitarbeiter:innen gewährleisten können. Und über all dem stand das Ziel, trotz Corona-bedingter Auflagen und Veränderungen ein großartiges Produkt für unsere Zuschauer:innen zu schaffen. Was uns dabei Mut gemacht hat, war das 'Germany’s Next Topmodel'-Finale: Hier hatten die Kolleg:innen wenige Wochen zuvor bereits unter Beweis gestellt, dass eine Produktion unter Pandemie-Bedingungen möglich ist. Und dabei ein Ergebnis herauskommen kann, das zwar anders, aber deshalb nicht weniger sehenswert ist."
Tobias Gramann: "Wir sind gewissermaßen ins kalte Wasser gesprungen: Mit einem Produktionszeitraum von vier Wochen und einer bis zu 170 Personen umfassenden Crew ist 'The Taste' bereits unter Normalbedingungen ein aufwendiges und komplexes Mammutprojekt. Außerdem darf man nicht vergessen, dass unser Handlungsspielraum zu diesem frühen Zeitpunkt der Pandemie einfach extrem klein war: Konkrete gesetzliche Richtlinien gab es quasi nicht, rechtlich bindende Empfehlungen für Produktionen der Berufsgenossenschaft ETEM wurden erst kurz vor Produktionsstart veröffentlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir alles in Eigenverantwortung organisiert. Schnelltests waren in der heutigen Form nicht verfügbar. Und dass wir mit Lebensmitteln arbeiten und es in dieser Sendung ums Essen geht, hat es nicht leichter gemacht. Wir haben uns von Tag zu Tag gehangelt und natürlich auch geschaut, wie es andere machen – die einen ganz ohne Publikum, die anderen mit Plexiglaswänden. 'Learning by doing' eben: Was können und dürfen wir wie umsetzen? Auf was müssen wir verzichten und wie können wir diese Lücken füllen? Und wie kommt das bei dem:der Zuschauer:in an? Durch die dynamische Situation hatten wir fast täglich einen neuen Status quo, standen im ständigen Austausch, haben Ideen vom Vortag wieder verworfen oder weiterentwickelt."
Welche COVID-19-Maßnahmen habt Ihr ergriffen und inwieweit wirkten sich diese auf die Sendung aus?
Henning Kruse: "Wir haben uns zuerst gemeinsam mit den Kolleg:innen vom Sender dazu entschlossen, die Produktion um vier Wochen zu schieben. Die neu gewonnene Zeit haben wir genutzt, um entsprechende Corona-Konzepte für die verschiedenen Produktionsbereiche zu entwickeln. Bei unseren Maßnahmen unterscheiden wir zwischen dem On – also dem für den:die Zuschauer:in sichtbaren Raum – und dem Off. Hinter der Kamera galten die Hygienemaßnahmen, die heute unseren Alltag bestimmen: Abstand halten, regelmäßiges Hände waschen und desinfizieren, Masken tragen, tägliches Fiebermessen bei Ankunft am Set, Selbstauskünfte sowie die räumliche Entzerrung: von Pausenräumen, die wir weitestgehend ins Freie verlegt haben, bis hin zur sonst immer sehr vollen und engen Regie, die wir kurzerhand durch einen zusätzlichen Übertragungswagen erweitert haben."
HENNING KRUSE
Seit 13 Jahren bei Redseven, davon seit drei Jahren bei „The Taste": Als Produktionsleiter liegt die gesamte Organisation des Drehs in Hennings Verantwortung. Neben der Budgetplanung kümmert er sich auch um die Arbeitssicherheit am Set.
Heidi Brückl: "Im On haben wir uns gefragt: In welchen Situationen kommen die Kandidat:innen und Coaches sich 'zu nahe' und wie können wir das anders gestalten? Dabei haben wir schnell bemerkt, dass die bauliche Umgestaltung des Sets unumgänglich war: Die Kandidat:innen-Lounge beispielsweise haben wir in ein größeres Zuschauer:innenfoyer verlegt. Von dort haben die Kandidat:innen die Verkostung via Monitor verfolgt – anstatt wie in den Vorjahren auf einer Galerie hinter der Jury. Dadurch war ihre direkte Reaktion viel freier und ungezwungener. Das Jury-Pult wurde in Einzeltische separiert, die wir im Halbkreis angeordnet haben. Durch die neue Anordnung, in der die Coaches sich gegenseitig besser sehen konnten, haben sie plötzlich viel intensiver miteinander interagiert. Und auch das Coaching von den ihnen zugewiesenen Kanzeln aus, mit denen wir sie 'auf Distanz' zu den Kandidat:innen halten konnten, hat trotz anfänglicher Skepsis gut funktioniert."
TOBIAS GRAMANN
Als Produktionsleiter im Bereich Herstellungsleitung ist Tobias für alle übergreifenden, produktionsrelevanten Themen zuständig. Seit März 2020 ist er "Corona-Beauftragter" bei Redseven.
Demnach haben die erschwerten Produktionsbedingen das Format also auch positiv verändert? Und gilt selbiges für Euch als Team?
Heidi Brückl: "Es ist uns gelungen, gleich mehrere neue Spielprinzipien zu entwickeln, die nicht nur 'Corona-sicher' sind, sondern uns auch in Inhalt und Dramaturgie weiter vorangebracht haben. Vieles davon hat uns so gut gefallen, dass wir auch in Zukunft daran festhalten. Corona hat dieses teilweise sehr radikale Umdenken erst möglich gemacht. Allerding gehört die stete Weiterentwicklung unserer Dauerbrenner-Formate wie 'The Taste', 'Hochzeit auf den ersten Blick' oder 'The Biggest Loser ' für uns bei Redseven zum Standard: Wir bleiben niemals stehen – das war und ist seit jeher unser Anspruch. Mir ist wichtig, dass wir die Produktion im Nachgang nicht zu sehr 'glorifizieren', denn es war eine belastende Zeit für das gesamte Team: Wir haben über Wochen unter ständiger Anspannung gearbeitet haben und es war sehr schwer, mit Masken und Gesichtsvisieren eine echte Verbindung zu unseren Kandidat:innen aufzubauen. Am Ende haben wir alles gut hinbekommen – vor allem deshalb, weil jede:r Einzelne vor und hinter der Kamera dazu bereit war, jeden Tag aufs Neue sein:ihr Bestes zu geben."
Henning Kruse: "Man darf die enormen Mehraufwände und Hindernisse, die Corona bei dieser Produktion verursacht hat, einfach nicht unterschätzen: Wenn wir ein Problem beseitigen konnten, tat sich an anderer Stelle ein neues auf. So beispielsweise nach dem Umbau des Sets, als uns klar wurde, dass wir deutlich mehr Kameras brauchen würden. SAT.1 hatte hier immer ein offenes Ohr und hat versucht, alles möglich zu machen. Wir haben alle Entscheidungen in großer Einigkeit getroffen, weil wir alle wussten, wie ernst die Lage war. Eine so enge und konstruktive Zusammenarbeit ist einfach Gold wert. Insofern hat uns diese Produktion auch gezeigt, dass ein Team an seinen Herausforderungen wachsen und gestärkt aus einer Krise hervorgehen kann – und dass sich hinter diesem Satz mehr verbirgt als eine leere Floskel. Dem Ergebnis sieht man das definitiv an: Die achte Staffel von 'The Taste' ist erstklassiges Entertainment, das wir trotz erschwerter Bedingungen gemeinsam auf ein neues Level gehoben haben."
Tobias Gramann: "Die Produktion war eine echte Herausforderung für uns alle, aber wir haben auch unfassbar viele und wertvolle Erfahrungen gesammelt, von denen wir teilweise bis heute profitieren. Natürlich haben wir unseren Maßnahmen-Katalog mittlerweile weiterentwickelt und passen diesen je nach Produktion und allgemeiner Pandemie-Lage an. Und natürlich lassen sich Corona-bedingte Veränderungen nicht immer erzählerisch so gut einbetten wie bei 'The Taste'. Was wir aber auch aus dieser Zeit mitnehmen, ist die Erkenntnis, dass wir mit Teamgeist, Kreativität und vor allem jeder Menge Flexibilität auch in Corona-Zeiten TV-Produktionen aufrechterhalten können. Und dabei Produkte schaffen, die unsere Zuschauer:innen begeistern."