Die Leitung steht. "Noch 1:35", sagt die Stimme auf Charlottes Ohr. Auf dem Screen vor ihr fährt der Beitrag ab. Das Thema: neue finanzielle Entlastungen für die deutschen Bundesbürger:innen im Jahr 2023. "Noch 10 … 5 … Du bist live" – und Charlotte erscheint auf dem Bildschirm, gemeinsam mit "SAT.1 Nachrichten"-Moderatorin Claudia von Brauchitsch. "Aus Berlin live zugeschaltet ist unsere Chefreporterin Charlotte Potts", begrüßt die Kollegin sie in der Sendung und bittet um eine Einschätzung zu den neu beschlossenen Hilfen. Charlotte, jetzt im Vollbild, ordnet die Thematik ein. Hinter ihr ein Live-Bild aus dem nächtlichen Berlin, die Glaskuppel des Bundestags hell erleuchtet. Nach knapp einer Minute und 30 Sekunden ist die Schalte vorbei. Und damit auch Charlottes erster Auftritt vor der Kamera in ihrer neuen Rolle als Politik-Chefreporterin der Seven.One Entertainment Group.
Den Menschen Politik näher zu bringen – das treibt die Journalistin seit jeher an. Acht Jahre hat sie für die ARD und das ZDF in Washington gearbeitet, danach als Korrespondentin für die Deutsche Welle in Berlin und London. Nach über fünf Jahren als Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins will sie zurück in die politische Berichterstattung – und nimmt eine neue Herausforderung an: Im Oktober 2022 wechselt sie als Politik-Chefreporterin zu ProSiebenSat.1. "Weil das, was wir hier gerade aus der Taufe heben, tatsächlich das aktuell größte Nachrichten-Projekt Deutschlands ist", sagt sie. "Und daran mitwirken zu dürfen heißt nicht nur, dass wir von Grund auf neue Strukturen und Abläufe aufbauen, sondern dass wir Nachrichten ganz neu denken wollen."
"VIELE THEMEN SIND IN EINER NACHRICHTENSENDUNG EINFACH GESETZT. ABER WIR KÖNNEN DIE HERANGEHENSWEISE BESTIMMEN. UND ZUSÄTZLICH SCHWERPUNKTE SETZEN, DIE FÜR UNSERE JUNGE ZIELGRUPPE RELEVANT SIND."
In politischen Kreisen stößt das auf großes Interesse, wie Charlotte weiß. "Ich spreche viel mit Politiker:innen und alle waren von Beginn an sehr offen gegenüber unserem Vorhaben. Denn natürlich erreichen sie über uns eine deutlich jüngere Zielgruppe als das in anderen Nachrichtenformaten der Fall ist." Eine Chance auch für das Team selbst, das sich mit einer innovativen Erzählweise bei journalistischer Objektivität abheben und dabei den Zuschauer:innen und User:innen einen Mehrwert bieten will: "Inflation, Ukraine-Krieg, Energiepreisbremse – es schwirren so viele Wörter und Themen durch das politische Universum. Die müssen wir nicht nur erklären: Wir müssen unseren Zuschauer:innen darüber hinaus vermitteln, was das alles für ihre ganz persönliche Lebensrealität bedeutet", sagt Charlotte. Gleichzeitig seien viele Themen in einer Nachrichtensendung natürlich auch "einfach gesetzt", ergänzt die Journalistin. "Aber wir können die Herangehensweise bestimmen. Und zusätzlich eben Schwerpunkte setzen, die für unsere Zielgruppe relevant sind."
Einen Anspruch, den Charlotte mit dem Berliner Team teilt: Insgesamt 15 Kolleg:innen – darunter acht Redakteur:innen, eine Reporterin, eine Chefin vom Dienst, ein Planungschef und zwei Volontärinnen – arbeiten in jeweils zwei Schichten in der Berliner Politikredaktion am Potsdamer Platz, die von Politikchef Heiko Paluschka geleitet wird. Die Büroflächen in der 17. Etage mitsamt einem kleinem Studio, das remote von den Kolleg:innen aus München gesteuert wird, bieten einen Panoramablick über die Hauptstadt: Fernsehturm und Berliner Dom, rechts hinter dem DB-Tower erhebt sich das Reichstagsgebäude. Darauf ausgerichtet steht eine fest installierte Kamera an der Fensterfront: Sie fängt ein ständiges Live-Bild vom Bundestag ein, das während Schalten nach Berlin als Hintergrund eingespielt wird. Die Nähe zum Regierungsviertel ist ein entscheidender Vorteil, wie Charlotte erklärt: "Wir sind nah dran und schnell vor Ort. Auch die Politiker:innen haben es nicht weit, wenn wir sie für Interviews einladen." Charlottes Tag beginnt häufig mit Hintergrundgesprächen oder Recherchen. "Wenn es ein politisches Thema gibt, über das wir berichten wollen, verfolge ich die Entwicklung natürlich über den Tag. Unsere Redakteur:innen arbeiten parallel an den Beiträgen, die sie auch selbst schneiden und vertonen. So arbeiten wir dann auf die Sendungen hin: Die 'Kabel Eins News' um 16 Uhr, die 'ProSieben NEWSTIME' um 18 Uhr und die 'SAT.1 Nachrichten' um 19:55 Uhr." Danach setzt sich das Team nochmals zusammen, bespricht was gut lief und was nicht.
RUND
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Mitarbeiter:innen arbeiten heute in der neu geschaffenen Nachrichtenredaktion.
Der mitunter wichtigste Termin findet schon einige Stunden zuvor statt: Die 12-Uhr-Konferenz mit den Kolleg:innen in Unterföhring, in der die Themen der Sendungen festgelegt werden. Dass am Ende einer jeden Redaktionskonferenz der besprochene Stand jedoch schon wieder veraltet sein kann, weiß auch Charlottes Kollege und Chefredakteur Arne Teetz: "Jeder Tag ist von neuen Entwicklungen geprägt. Sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Unsere Aufgabe ist es, immer wieder die Nachrichtenlage im Ganzen und jede Geschichte im Einzelnen zu bewerten. Festzulegen, was der jeweilige Kern einer Nachricht ist und wie wir diesen Kern abbilden. Und das machen wir im dauerhaften Austausch", erklärt er. Der News-Chefredakteur ist kurz vor der Live-Sendung in SAT.1 für einen kurzen Check ins Unterföhringer Studio gekommen: Absprache mit den Moderator:innen, ein kurzes Hallo in die Regie. Arne steht in einem grün ausgekleideten Raum – der sogenannten Greenbox, in die das virtuelle Studio-Set der jeweiligen Sendung hineinprojiziert wird.
Das wird jedoch nicht mehr lange der Fall sein: Auf dem neugebauten Campus in Unterföhring entsteht derzeit auch ein neues Studio mitsamt angeschlossener Redaktionsräume: "Der Umzug ist für uns ein entscheidender Meilenstein, weil wir dann endlich auch unser neues Nachrichtenstudio in Betrieb nehmen können – und zwar eines der modernsten Europas, in dem wir mit vollautomatisierten Prozessen arbeiten und eine über 20 Meter lange LED-Wand variabel bespielen können. Außerdem wird die Redaktion unmittelbar nebenan sitzen, womit wir unsere Arbeitsabläufe noch besser machen können", wie Arne erklärt. Seine Kolleg:innen und er sollen bis Herbst in die neuen Räumlichkeiten umziehen und zählen damit zu den ersten Bewohner:innen des neuen Gebäudes.
Für Arne persönlich ist die Arbeit bei ProSiebenSat.1 keineswegs ein Neustart: Bevor er elf Jahre als Chefredakteur bei den News-Sendern N24 und WELT arbeitete, volontierte er einst bei SAT.1 in Berlin. Auch er hat zu Nachrichten einen besonderen Bezug: "Einer meiner ersten Tage bei N24 war DER 11. September. Und über all die tiefgreifenden Auswirkungen, die dieser Tag bis heute auf uns alle hat hinaus, war für mich seitdem klar, dass ich Nachrichten machen will." In seinen vorherigen Positionen ist Arne für die Zulieferung der Nachrichten verantwortlich gewesen, die ProSiebenSat.1 bis Ende 2022 extern von dem zum Medienhaus Axel Springer gehörenden TV-Sender WELT produzieren ließ. Als klar war, dass der Zulieferungsvertrag enden würde, entschließt er sich zu ProSiebenSat.1 zu wechseln. Gemeinsam mit Nachrichten-Redaktionsleiter Hendrik Niederhoff, dem Chefredakteur der Seven.One Entertainment Group Sven Pietsch und Vice President Information & Politikchef Heiko Paluschka hat er die Redaktion mit aufgebaut. Für Arne, wie er es selbst nennt, "ein Privileg". Wichtig ist ihm dabei zu betonen: "Fernsehen ist immer Teamarbeit. Wir arbeiten auch eng mit den bestehenden Regionalstudios wie SAT.1 Bayern und wollen uns künftig noch mehr mit den unterschiedlichen hausinternen Redaktionen austauschen. Dazu kommt ein umfangreiches Netzwerk an frei arbeitenden Kolleg:innen rund um den Globus."
"WIR NEHMEN UNSERE ZUSCHAUER:INNEN UND USER:INNEN ERNST UND WOLLEN, DASS SIE SICH IHRE EIGENE MEINUNG BILDEN KÖNNEN. RELEVANTE, EINWANDFREI RECHERCHIERTE UND SERIÖS AUFBEREITETE INHALTE FÜR ALLE UNSERE SENDER UND PLATTFORMEN WERDEN DRINGENDER GESUCHT ALS JE ZUVOR."
Hinter Arne und dem Team liegen intensive Monate: Neben der Redaktion muss auch die Produktion mitsamt aller technischen Abläufe aufgebaut werden – also alle Gewerke von der Kameratechnik bis hin zur Regie. "Ohne die große Unterstützungsbereitschaft im gesamten Unternehmen wäre das nicht möglich gewesen", sagt Arne. Das Ergebnis der akribischen Vorbereitung: Bereits der erste Sendetag verläuft reibungslos – und das Team liefert drei stimmige, auf die jeweilige Sender-Zielgruppe abgestimmte Nachrichtensendungen ab. "Es war wichtig, dass wir – im wahrsten Wortsinn – direkt zeigen, wer wir sind. Deshalb haben wir an diesem Tag auch zu unserer politischen Chefreporterin Charlotte geschaltet", erklärt Arne. "Wir haben außerdem unseren US-Korrespondenten Axel Storm eingebunden und eine kurze Reportage aus der Berliner Silvesternacht eingeplant. Wir hatten bereits antizipiert, dass es dort wild werden könnte und hatten daher eine Kollegin vor Ort, die das hervorragend abgebildet hat. Damit haben wir von Beginn an gezeigt, wie unsere Nachrichtenberichterstattung aussehen soll."
Dass ProSiebenSat.1 das Informationsangebot ausbaut, sieht Arne als die gesellschaftliche Verpflichtung eines Medienunternehmens: "Die Welt hat in den vergangenen Jahren grundlegende gesellschaftliche und geopolitische Veränderung erlebt. Je einschneidender solche Veränderungen sind, desto wichtiger ist es, mit guten und wertungsfreien Nachrichten den für unsere Demokratie so wichtigen gesellschaftlichen Diskurs zu unterstützen. Denn: Wir nehmen unsere Zuschauer:innen und User:innen ernst und wollen, dass sie sich ihre eigene Meinung bilden können. Relevante, einwandfrei recherchierte und seriös aufbereitete Inhalte für alle unsere Sender und Plattformen werden dringender gesucht als je zuvor."
Daran arbeiten auch Maren Langbehn, Vice President Buzzroom & Digital Newsroom, und ihr zehn-köpfiges Team: Sie sind dafür verantwortlich, die Nachrichten crossmedial über alle Plattformen auszuspielen. Darüber hinaus leitet Maren den seit 2016 bestehenden Digital Buzzroom, in dem tagesaktuelle web-only Clips und passende Texte produziert werden. Dass Maren für das Digitale brennt und die Schnelligkeit des Geschäfts liebt, merkt man sofort: Sie sitzt mit ihrem Team und den Redaktions-Kolleg:innen gemeinsam in einem Großraumbüro. Zwei von vier Wänden sind mit Bildschirmen bestückt, rund um die Uhr laufen dort Nachrichten aus der ganzen Welt. Im Newsroom in Unterföhring, dem Herzstück der Redaktion, teilen sich die beiden Abteilungen eine Fläche: So bekommt jede:r sofort mit, wenn etwas Neues passiert. Und können innerhalb kürzester Zeit gemeinsam entscheiden, wie die News für die linearen und digitalen Kanäle umgesetzt werden sollen.
"Für uns waren Digital und TV von Anfang an gleichwertig. Wir sind in allen Konferenzen dabei, wir sitzen gemeinsam in einem Büro und können schnell antizipieren, was für Digital gebraucht wird", beschreibt Maren die Zusammenarbeit zwischen den beiden Bereichen innerhalb der Redaktion. Wenn ein Thema für eine der Sendungen besetzt wird, überlegt Marens Team, wie das auf welcher Plattform aussehen kann: "Unsere Digital-Redakteur:innen nutzen natürlich auf der einen Seite das TV-Material und bereiten es für online auf. Auf der anderen Seite produzieren wir bei Bedarf auch selbst oder briefen die Kolleg:innen. Deshalb haben wir für jede Plattform Expert:innen im Team, die die besonderen Bedürfnisse und Trends im Blick haben." Aktuell bespielt das Team sowohl digitale Plattformen wie die Senderwebseiten und den Streaming-Anbieter Joyn als auch die Social-Media-Kanäle Instagram, Facebook und YouTube. TikTok und LinkedIn stehen auf der Roadmap.
„DAS GROSSE ZIEL IST, DASS DU DIR NICHT MEHR ÜBERLEGEN MUSST, WO DU DIR WAS ANSCHAUST, SONDERN DU UNSERE NACHRICHTEN GANZ EINFACH DORT ERLEBST, WO DU OHNEHIN UNTERWEGS BIST.
Auch für Marens Team ergeben sich mit der Fertigstellung des künftigen Studios neue Möglichkeiten: Unmittelbar neben dem großen TV-Studio ist ein Online-Studio geplant. "Damit heben wir das Ganze nochmal auf ein ganz anderes Level", freut sich Maren. "Optisch wird die Zugehörigkeit zum TV-Studio gut zu erkennen sein, weil beides zusammen konzipiert wurde – worin sich ein weiteres Mal zeigt, dass wir die Bereiche TV und Digital von Beginn an 'als eins' gedacht haben." Künftig kann Marens Team dort selbst drehen. Denkbar ist auch, dass Interviewpartner:innen aus dem TV- direkt ins Online-Studio wechseln, um dort weitere Fragen zu beantworten.
Den User:innen passgenaue Inhalte zu liefern unabhängig von der Plattform – so beschreibt Maren ihren täglichen Anspruch. "Das große Ziel ist, dass Du Dir nicht mehr überlegen musst, wo Du Dir welchen Inhalt anschaust, sondern Du unsere Nachrichten ganz einfach dort erlebst, wo Du ohnehin unterwegs bist", sagt sie und ihr Blick wandert wieder in Richtung der großen Bildschirm-Wände. Eine Eilmeldung zum Rücktritt von Christine Lambrecht erscheint. Maren wendet sich ihren Kolleg:innen zu. Sie muss weitermachen. Denn Nachrichten machen keine Pause.